09.04.2004, Fenixstadion Genk
Als ich das Angebot bekam mit nach Belgien zum Spiel des Sechsten gegen den Zehnten der ersten belgischen Liga zu fahren, habe ich angesichts der hiesigen Karfreitagsöde nicht lange mit der Zusage gezögert. Der Koninklijke Racing Club Genk ist das Produkt der Fusion von THOR Waterschei und dem KFC Winterslag. Winterslag und Waterschei sind beides Stadtteile von Genk und in Waterschei liegt auch das Fenixstadion. Die Fahrt von Hannover ist problemlos, liegt Genk doch nur etwa eine Autostunde hinter Aachen in der belgischen Provinz Limburg. Bei unserer Ankunft zwei Stunden vor dem Spiel waren rund um die Arena schon jede Menge Leute anwesend. Offenbar gibt es in Genk nicht viel zu tun. Der für Belgien übliche Geruch von Pommes lag über dem gesamten Stadionvorplatz. Da die Ticketschalter noch nicht geöffnet hatten, vergnügten wir uns beim Bier in der nahezu überfüllten Vereinsgaststätte, die mitten in das 26200 Leute fassende Schmuckkästchen integriert ist. Nachdem wir das örtliche System des Getränkecouponkaufs und anschließendem Umtausch in Flüssiges begriffen hatten, wurde doch schnell noch der ein oder andere Becher Jupiler geleert. Der Fanshop hatte keine besonders aufregenden Waren feilzubieten, deshalb zog es uns zu einem Verkaufswagen außerhalb des Geländes. Dessen Auslage war zwar auch nicht viel besser, doch wir durften erfahren, dass es wohl eine Freundschaft zwischen der Genker Kick Side und den Chelsea Headhunters gibt. Jedenfalls legten das Schals und T-Shirts mit diesbezüglichem Aufdruck nahe. Da passt es natürlich, dass der KRC 1988 aus der Taufe gehoben wurde. Trotz dieser Anzeichen für ultrarechte Umtriebe waren keine eindeutig politsch positionierten Gestalten zu sehen. Dann ging es zum Ticketschalter und auf die Suche nach der ominösen Fankarte. Diese braucht man, um eine Eintrittskarte kaufen zu können. Zumindest machten überall angebrachte Hinweise den Eindruck, aber als ich den Mann hinter der Scheibe fragte, ob wir dieses Extrabillet brauchen würden, guckte er mich an als ob ich ihn gefragt hätte wie er die letzte Bibi Blocksberg-Kassette fände und verkaufte mir die 15 Euro teuren Eintrittskarten einfach so. Im Stadion standen wir dann bei den Heimfans hinter dem Tor. Die reine Fußballarena war fast ausverkauft und zu Anfang war die Stimmung auf den Rängen sehr gut, auch die Musik war recht erträglich. Vor Beginn des Spiels gab es sogar noch ein kleines Feuerwerk und bei Anpfiff sangen die Supporter der Hausherren auch ein bisschen. Als ich nach zwei Minuten meinte einen verheißungsvollen Beginn gesehen zu haben, verflachte das Spiel augenblicklich und erreichte im weiteren Verlauf ein derart unterirdisches Niveau, dass selbst die tiefsten Bergwerkstollen höher anzusiedeln sind. Der KAA Gent vermied Modeerscheinungen wie Spielaufbau konsequent und versuchte nur zu kontern. Die Gastgeber hingegen wollten den Ball ins Tor tragen, dummerweise gingen sie des Spielgeräts meist schon an der Strafraumgrenze verlustig. So gab es in den ersten 45 Minuten eine einzige Torchance für den KRC, Gent, deren Angriffe meist schon kurz hinter der Mittellinie endeten, hatte keine. Das war Fußball von einem anderen Stern, leider von einem auf dem das wunderbare Spiel mit der Lederkugel nicht bekannt ist. Die Zuschauer verabschiedeten die Mannschaften auf die, bei einer derart erbärmlichen Leistung, weltweit übliche Weise in die Pause und wir holten uns noch ein paar Coupons und wechselten diese an der Theke ein. Nach dem Wiederanpfiff wurde das Spiel nicht besser, aber es gab neben Fehlpässen über drei Meter in Serie wenigstens ein paar Tormöglichkeiten zu bestaunen und zwar auf beiden Seiten. Die Hausherren schossen nun auch einmal auf das Tor, stellten den KAA-Keeper aber vor keine größeren Probleme. Gefährlicher waren da schon die Genter, deren eigentümliches 8-0-2-System sich endlich bezahlt machte. Bei den Kontern der schnellen Stürmern sahen die Gastgeber sehr schlecht aus. Und die Gäste hätten auch ein Elfmeter bekommen müssen. Der bereits ausgespielte Schlussmann des KRC holte den Genter Stürmer eindeutig von den Beinen, doch die Pfeife des Referees gab kein Geräusch von sich. Die Zuschauer wurden derweil immer ungehaltener. Ein Fan hatte allerdings das wenig ereignisreiche Spiel genutzt und seinen Doppelhalter farbig ausgemalt. In der 80. Spielminute dann die größte Chance des gesamten Spiels. Gents pfeilschnelle Nummer 8 (Namen kann ich nicht nennen, weil es kein Programmheft gab) überläuft die Abwehr, spielt am rechten Strafraumeck den Torwart aus und passt genau zu seinem in der Mitte sehr gut postierten Mitspieler und dieser stolpert über den Ball. Slapstick pur. In großen Scharen verließen nun die Zuschauer das weite Rund und so verpassten sie die 92. Minute. Eine harmlose, halbhohe Flanke wurde vom Genter Torhüter fallengelassen und der Ball vom Genker Elfer ins Tor gestochert. Die Dagebliebenen freuten sich natürlich über den völlig unverhofften Sieg und wieder zeigte sich, dass man einfach nicht vor dem Schlusspfif gehen sollte. Auch nicht bei einem Gruselkick wie diesem. Nach dem Schlusspfiff gab es noch einmal Feuerwerk und nachdem die letzte Rakete verraucht war, machten wir uns auf die lange Reise nach Hause und wurden erneut Zeuge eines grausamen Geschehens. Eine Autorin, die tatsächlich in Hannover wohnt, las aus ihrem Werk. Mangels anderer funktionierender Sender hörten wir die furchtbare Geschichte einer Frau, die kaffeetrinkend auf die Handwerker wartet, die aber nicht kommen. Bücher gibt´s. Tststs. Dirk