4.12.1999, 14.00
HAZ vom 1.12.1999"mittendrin" - das Motto unserer Serie "Trainingsstunde" hat sich bewährt. Die HAZ-Redakteure CHRISTIAN OTTO und HEIKO REHBERG, die beide selbstin ihren Lieblingssportarten Punktspiele bestreiten, trainieren regelmäßig beim kleinen Verein um die Ecke mit oder besuchen die großen Klubs - wie zuletzt Fußball-RegionaIligist ARMINIA HANNOVER. Die meisten "Trainingsstunden" haben die Gäste von der HAZ gut überstanden - selbst bei solch außergewöhnlichen Sportarten wie Polo, Taekwondo, Fechten oder Motoball. Nach jedem Training folgt traditionell eine Plauderstunde. Redakteure sind stets neugierig, stehen aber auch für alle Fragen zur Zeitung zur Verfügung - auch das ist mittlerweile ein fester Bestandteil der HAZ-"Trainingsstunde".
Christian Otto (links) und Heiko Rehberg versuchen sich als Balljongleure
... natürlich erst nach einer Taktik-Einweisung von Trainer Rainer Behrends.
beide Fotos: zur Nieden
So ungefähr muss das Fußball-Paradies aussehen: Wer bei Arminia Hannover in der 3. Liga kickt, schaut zu allererst in einem Raum unter der Tribüne vorbei. Dort ist zwischen Schränken und Waschmaschinen das Reich von Betreuer Klaus Adam (Spitzname "Backe"), und der drückt Trainingsgästen erst einmal Stutzen, kurze Hose, Shirt und ein Badetuch in die Hand. Danach geht es in die gut geheizte Kabine, wo an einer Stange aufgereiht die Trainingsanzüge der Spieler hängen.
Man muss also außer den Fußballschuhen nichts mitbringen, wobei das Allerschönste noch kommt. Nach dem Training stehen in der Kabine drei oder vier große Wäschekörbe herum, in die man seine dreckigen Klamotten schmeißt. Irgendwann am Abend, wenn die Spieler schon in der Vereinsgaststätte ein Mettbrötchen bestellen, räumt Klaus Adam alles zusammen, und beim nächsten Training hängt alles wieder frisch gewaschen in der Kabine. Der Traum aller Spielerfrauen wird in Bischofshol wahr: Der Mann kommt nach Hause - und die Waschmaschine bleibt aus. Dass das Paradies einen kleinen Haken hat und es bei Arminia Hannover doch noch nicht zugeht wie bei Bayern München, erfahren wir erst später und wollen wir an dieser Stelle auch noch nicht verraten.
Weil die Vereinsgaststätte vor 18 Uhr noch geschlossen hat, trinken Coach Rainer Behrends und Kotrainer Dieter Bendix ihren Kaffee in einem Raum, für den sich unter Umständen auch das Historische Museum interessieren würde. Das Sofa, das dort steht, hat antiquarischen Wert. Wer es rechtzeitig von der Arbeit schafft, trinkt einen Kaffee mit. Für Spieler, die in der Bank oder Sparkasse arbeiten, ist Training um 17 Uhr viel zu früh. Während die Konkurrenz aus Osnabrück, Braunschweig oder Cloppenburg Vollprofis beschäftigt, spielen bei Arminia fast nur Amateure, die vorher noch Kunden beraten oder über Büchern sitzen.
Eben noch bei der Arbeit, jetzt schon wieder auf dem Fußballplatz schuften. Wer sich in die Mannschaft spielen will, muss sofort umschalten können. Die vorbeisausenden Autos des Feierabendverkehrs auf dem Messeschnellweg sorgen für eine nervtötende Geräuschkulisse, die Spieler stört das aber längst nicht mehr. "Wir hören das schon gar nicht mehr", sagt Tobias Fiedler.
Bis zu viermal pro Woche schinden sich Fiedler und Co. beim Training, vom November an geht es auf den Aschenplatz. Erst mit einem kleinen Trick haben sich die Arminen ein Stück Rasen erobert. Sie haben zwei Scheinwerfer, die eigentlich für den Hartplatz gedacht sind, so gedreht, dass auch noch ein Fleckchen grüner Rasen erleuchtet wird - erstmals ahnen wir, dass das Paradies doch anders aussehen muss.
Und wir möchten erleben, wie anstrengend Regionalliga-Fußball sein kann. Die beiden Gäste von der HAZ werden freundlich empfangen und sofort voll mit eingebunden. "Christian, du nimmst die 17. Heiko die 3", sagt Trainer Rainer Behrends. Die 3 gehört dem verhinderten Mirko Knörenschild. Die 17 gehörte bis vor ein paar Wochen noch Robert Scheurer, dessen Vertrag aufgelöst worden ist. Wir bekommen einen kleinen Vorgeschmack auf die gnadenlose Seite des höherklassigen Fußballs.
Auf dem Trainingsplatz geht es zunächst zu wie in der l. Kreisklasse. Kurze Ansprache vom Tramer, das obligatorische "Gammeleck", nach dem Aufwärmprogramm folgt eine lockeres Trainingsturnier. Die Presseleute, von einem solch routinierten Torjäger wie Markus Erdmann zunächst ziemlich misstrauisch begrüßt, werden auf unterschiedliche Mannschaften aufgeteilt. Damit kein falscher Eindruck entsteht, hakeln, foulen und grätschen wir von Beginn an kräftig mit und verschaffen uns Respekt. Dass ein Leistungsträger wie Fiedler später mit einem Bänderriss ausscheidet, haben wir nicht zu verschulden. Das Pensum ist anstrengend und doch zu schaffen. Vielleicht nicht viermal pro Woche plus ein Punktspiel, aber an diesem Abend können wir gut mithalten und auch gelungene Pässe und Tore bejubeln.
Die schlechteste der vier Mannschaften muss eine Runde im Vereinslokal ausgeben, entsprechend groß ist der Ehrgeiz. Bezahlen muss am Ende das Team um Dribbelkünstler Skerdi Bejzade, die Kicker von der HAZ waren nicht in seinem Team. In der Kabine und unter der Dusche wird darüber noch lange geschmunzelt. Wir scherzen vergnügt mit und wundem uns doch über den zeitweise derben Umgangston. Der Kader und damit der Konkurrenzkampf sind groß. Einem jungen Mann wie Svetoslav Uvaliev, der trotz unglaublicher Fähigkeiten am Ball kaum zum Zuge kommt, ist nicht immer, zum Lachen zu Mute. Mancher im Kader (Dennis Weiland) erzählt später im Klubheim, wie er einst bei Borussia Dortmund Jürgen Kohler ausgespielt hat. Andere wieder (wie Uvaliev) erzählen von ihrem letzten Bezirksklassen-Einsatz in der Arminen-Reserve, damit sie Spielpraxis sammeln können. Fußball kann verdammt ungerecht sein. Hobby-Kicker, die von einem Probetraining bei einem höherklassigen Verein träumen, vergessen das gerne.
Ach ja, einen weiteren Haken im Fußball-Paradies sind wir noch schuldig. 30 Mark im Monat zahlt jeder Arminen-Spieler dafür, dass ihm die Trainingsklamotten gewaschen werden. Auf dem Nachhauseweg haben wir uns vorgestellt, wie die Profis von Bayern München reagieren würden, wenn Trainer Ottmar Hitzfeld auf einmal vor ihnen stehen und zur Kasse bitten würde. 30 Mark Wäschegeld, bitte!
HAZ vom 4.12.1999Mit stärkster Elf kann der SV Arminia Hannover am heutigen Sonnabend (Anpfiff 14 Uhr) gegen Eintracht Braunschweig antreten. Dennis Weiland und Markus Erdmann sind wieder fit, nur der Einsatz von Kapitän Jürgen Scholz, der sich mit Achillessehnen-Beschwerden plagt, ist fraglich. Am Freitag hatte Coach Rainer Behrends seinen Regionalliga-Kickem trainingsfrei gegeben, "damit sie richtig heiß sind".
Auch Braunschweigs Trainer Reinhold Fanz weiß, was ihn und seine Mannschaft heute erwartet. "Die Arminen wollen ihre letzte Chance, doch noch in den Kampf um die vorderen Plätze einzugreifen, mit allen Mitteln wahren", sagt der frühere Cheftrainer des Lokalrivalen Hannover 96, der die Favoritenrolle weit von sich weist. "Wegen der vielen Verletzungen haben wir immer wieder umstellen müssen und auch in Hannover nicht unser stärkstes Team zur Verfügung", sagt Fanz, der nach eigenem Bekunden mit einem Punkt schon sehr zufrieden wäre.
Den Arminen würde ein Remis nicht viel helfen. Sie müssen heute und eine Woche später gegen den Lüneburger SK unbedingt gewinnen - oder können endgültig für die Oberliga planen.