NP vom 28.8.1999
WICHTRINGHAUSEN. Keine Kneipe, kein Laden. Die 496 Einwohner von Wichtringhausen treffen sich bei der freiwilligen Feuerwehr oder im Sportverein. Neuerdings ist der SV beliebter. Grund: Mathias Kuhlmey - nach 23 Jahren bei 96 kickt der ehemalige Bundesligaspieler nun für den kleinen Kreisklassenklub im Westen Hannovers.
"Ich muss mir nichts mehr beweisen", sagt der 33-Jährige. Bereits als A-Jugendlicher gehörte er 1985 zur legendären Aufstiegsmannschaft. Es wurden 260 Einsätze für 96 (76 .Mal in Liga eins, ein Tor). "Höhepunkt war der Pokalsieg 1992."
Wegen chronischer Wadenprobleme musste der zweikampfstarke Abwehrmann frühzeitig kürzer treten. Kuhlmey lernte Großhandelskaufmann, spielte aber bis zuletzt im Reserveteam von 96. Zwischendurch half er auch noch etliche Male in der ersten Mannschaft aus, seit 1997 war er bei 96 zuständig für den Karten- und Fanartikel-Verkauf.
"Das hat immer weniger Spaß gemacht. Vieles ist schief gelaufen, weil die Infrastruktur bei 96 Kreisklassenniveau hat", sagt Kuhlmey. "Der Frust darüber und fehlende Anerkennung waren für meinen ersten Vereinswechsel maßgeblich."
Mathias Kuhlmey
Der Vater von zwei Kindern wollte eine bessere berufliche Perspektive. Der neue Klub vermittelte einen Job als Innendienstleiter in einer Chemiefirma, "sonst gibts aber keinen Pfennig".
In Wichtringhausen "stimmt auch die Chemie". Kuhlmey: "Es ist schön, wieder in einer Mannschaft zu spielen, wo alle noch gemeinsam im Vereinsheim ein Bier trinken." Klassenunterschiede gibts also nicht. Beim ersten Training war das noch anders: "Die Spieler sind völlig durchgedreht", erzählt Trainer Uwe Pöttgen (früher Arminia). Kuhlmey: "Ich musste erst mal klarstellen, dass auch Kreisklassenfußball ein Mannschaftssport ist."
Die ersten Resultate unterstreichen diese Worte - zwei Niederlagen, ein Sieg. Doch Coach Pöttgen ist optimistisch: "Mein Team wird sich weiter an unserem neuen Staubsauger aufrichten." Schließlich habe der SV (feierte im Juni 50-jähriges Jubiläum) erstmals die Chance, ein ganzes Dorf glücklich zu machen. "Einmal in der Kreisliga spielen, davon träumen alle Wichtringhauser", weiß Pöttgen. Wenn das klappen sollte, wäre bei der Feuerwehr vermutlich gar nichts mehr los.