Sie heißen die "Blauen", die Vereinsfarben sind Grün-Weiß-Grün und in ihren erfolgreichsten Jahren traten sie wie einst Real Madrid ganz in Weiß auf - einfach zu verstehen sind die farblichen Vorlieben des Sportverein Arminia Hannover wahrlich nicht. Einleitend daher ein paar aufklärende Worte: Das mit dem schnneweißen Real-Dress war eine auf einige Jahre beschränkte Marotte und kann vernachlässigt werden, da sich rasch wieder das traditionelle Spielkleid aus blauem Hemd, weißer Hose und weißen Stutzen durchsetzte. Jenes wiederum ist das Ergebnis eines historisch weltweit wohl einzigartigen Vorgangs: Als die Arminia anno 1910 das Licht der Welt erblickte, galt lokal die Regelung, dass jede Farbe nur einmal von einem im Spielbetrieb vertretenen Verein getragen werden dürfe. Da das von der Vereinsführung bevorzugte Grün bereits vom HSC belegt war, wählte man das nicht sonderlich attraktive Grau, und griff, als 1913 nach Fusion zwischen BV Hannovera und HFC 96 die Farbe Blau "frei" wurde, beherzt zu. Dass man dabei auch nach Lockerung der Regeln blieb, ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass Hannover alsbald in das Spannungsfeld des Lokalkampfes zwischen den "Blauen" (Arminia) und den "Roten" (96) geriet. Angesichts unzähliger historischer Duelle brannten sich die "falschen Farben" der Arminen tief in das lokale Fußballgedächtnis ein und wurden so zum Synonym - die Arminen sind, wie es in einer Chronik heißt, die "blauen Jungs aus Bischofshol mit den grün-weiß-grünen Vereinsfarben". Sowohl sportlich als auch bezüglich seiner Anziehungskraft auf das zahlende Publikum war der SV Arminia jahrzehntelang einziger ernsthafter Stadrivale für den HSV von 1896 und sogar mehrfach drauf und dran, den Roten den Rang abzulaufen. Das grammatikalische Perfekt verrät bereits, dass sich die Situation heute ein wenig anders darstellt. Im Gegensatz zu den Historien nur sporadisch erfolgreicher Stadtrivalen wie HSC, Eintracht, OSV, Ricklingen oder Havelse zeichnet sich die des SV Arminia zwar noch immer durch eine beeindruckende Kontinuität aus, die den Klub seit beinahe neunzig Jahren zur norddeutschen Elite zählt, zugleich aber hat der Schatten von Nachbar 96 nach dessen sportlicher und wirtschaftlicher Genesung derzeit unüberwindliche Dimensionen erreicht. "Der Vergleich mit 96 ist müßig. Die alte Konkurrenzsituation wird es auf absehbare Zeit nicht geben", befand SVA-Präsident Jürgen Scholz 2003 und bekannte: "Ich sehe die Roten eher als großen Partner, denn als Konkurrenten." Eine Aussage, die von der kleinen aber aktiven SVA-Fanschar nur zähneknirschend zur Kenntnis genommen wird. Für sie bleiben die "Roten" die "Unaussprechlichen". Früher war das anders, standen die Roten im Schatten der Blauen. Jene waren 1910 als FC Arminia entstanden und hatten während des 1. Weltkriegs zum Aufschwung angesetzt. 1915 gelang der Aufstieg in die hannoversche Stadtliga, in der man sich 1916 via 3:2 im Entscheidungsspiel über Südstadtnachbar Eintracht erstmals die Stadtmeisterschaft sicherte. Arminias Erfolgsrezept war ein einzigartiges Vereinsleben, das vom Vereinsvorstand um Willi Wickström und Oskar Sprögel explizit gefördert wurde. So bat man beispielsweise regelmäßig zum Stammtisch ins Brauer-Gildehaus und knüpfte auf diese Weise Kontakt zu Spielern anderer Klubs, was lokalen Talenten wie "Edu" Wolpers und "Kunne" Wulf den Weg zu den Blauen deutlich erleichterte. Unmittelbar nach Kriegsende erstrahlte der blaue Stern mit voller Kraft. 1918 schloss man sich mit dem Rugby-Verein Merkur zum SV Arminia-Merkur (ab 1920 SV Arminia) zusammen und ließ sich auf dem von Merkur eingebrachten Gelände am Bischofsholer Damm nieder, das auch 2005 noch immer innig geliebte Heimat ist. Der sportliche Aufschwung war unwiderstehlich. 1919/20 zogen die Blauen erstmals in die Endrunde um die "Norddeutsche" ein, wo das Team um Fritz Lange (dessen hoch talentierter Bruder Carl 1917 im Krieg geblieben war) zu Hochform auflief. 3:1 gegen den Geestemünder SC, 3:1 über ABTS Bremen und schließlich 2:1 im Endspiel über Borussia Harburg - gleich im ersten Anlauf holte der erst seit zehn Jahren bestehende Klub erstmals die norddeutsche Meisterschaft in die Leinemetropole! Hannovers Fußballhimmel war in jenen Tagen strahlend blau. Mit ihrer kampfbetonten Spielweise hatte die Arminen die Herzen der Fans im Sturm erobert und stellten mit "Edu" Wolpers, Fritz Lange und "Henner" Bies sogar drei norddeutsche Auswahlspieler. Doch Arminia war auch launisch - ein Attribut, das den Verein bis heute auszeichnet. In der Endrunde um die "Deutsche" platzten die Titelträume nach einem peinlichen 1:2 gegen Außenseiter Titania Stettin ziemlich unsanft - ausgerechnet "Edu" Wolpers war tragisches Zünglein an der Waage, als er beim Stande von 1:1 in der Verlängerung einen Elfmeter verschoss. Dennoch: Quasi über Nacht war die Arminia zu Hannovers Nummer eins geworden und schickte sich an, den fußballerischen Ruf der Leinemetropole zu mehren. Neben den Derbys gegen die Stadtrivalen 96 und Eintracht elektrisierten vor allem die Duelle gegen die Braunschweiger Klubs VfB und Eintracht die Fans, die immer zahlreicher zum SVA konvertierten. Es war ein geliebtes Ritual: Wenn am Kröpcke die grün-weiß-grüne Fahne aufgezogen wurde, eilte jeder zum Bischofsholer Damm, wo 1924 eine überdachte Sitzplatztribüne erschaffen worden war, um auch dem etwas betuchteren Publikum ein Zuhause bieten zu können. Die zwanziger Jahre avancierten so zur erfolgreichsten Epoche der Vereinsgeschichte. Mit herausragenden Akteuren wie dem unverwüstlichen Wolpers (der nach seinem Wechsel zum Hamburger SV - 1926 - sogar in die Nationalelf berufen wurde), Torhüter Kokott, den Läufern Ewald Skusa und Rudi Kalweit sowie Talenten wie Robert Schulz und Engelke qualifizierte sich Arminia mit Ausnahme der Spielzeit 1926/27 (in der 96 die Nase vorn hatte) alljährlich für die Endrunde um die Norddeutsche, versagte dort aber mit frappierender Regelmäßigkeit. "Für die Reihe der verpassten Gelegenheiten hätte uns ein Meistertitel zugestanden", stöhnte die Vereinsführung anlässlich des 50. Vereinsbestehens frustriert. Vor allem die Hamburger Klubs zeigten den Blauen immer wieder ihre Grenzen auf. Umso erfreulicher daher die Ereignisse vom 5. Mai 1930, als dem SVA mit dem 5:1 über den Hamburger SV einer der größten Paukenschläge der norddeutschen Fußballhistorie gelang. Eine Woche später bejubelten 12000 Fans ein 3:1 gegen 96, das zum zweiten Mal nach 1920 den Einzug in die Endrunde um die "Deutsche" besiegelte. Dort traf Arminia auf den Emporkömmling Schalke 04, dem man im neutralem Bochum wenig entgegenzusetzen hatte. 28000 Fans, darunter der Dichter Bertolt Brecht, sahen ein 2:6-Debakel, nach dem der "kicker" rügte: "Arminia kam nur in der ersten Halbzeit einigermaßen mit. Die Mannschaft war ausgesprochen schwach. 1932/33 gelang den Blauen ihr vorerst letzter Coup. Mit dem Engländer William Townley hatte der tief im bürgerlichen Lager verankerte Klub einen renommierten Trainer engagiert, der dem Team um das legendäre Schlussdreieck Simoni - Schmalfeldt - Radtke erfolgreich britische Spielkultur lehrte. Mit einem 3:0 über Eimsbüttel zum dritten Mal in die Endrunde um die "Deutsche" eingezogen, sorgten die Blauen am 7. Mai 1933 für eine Sensation, als sie ohne die verletzten Leistungsträger Simoni (Torhüter) und Schweizer (Läufer) den Dresdner SC auf dessen Platz mit 2:1 nach Verlängerung bezwangen und ins Viertelfinale einzogen. Diesmal war die Presse voll des Lobes über den frechen Underdog: "Eine Elf voller Stars, eine wirklich einheitliche Mannschaft, mit solider Technik, gutem Stehvermögen. Vor dieser norddeutschen Elf muss sich jede deutsche Mannschaft in Acht nehmen", staunte beispielsweise der "Fußball". Zwei Wochen später stand Hannovers Fußballgemeinde beim Viertelfinal-Gastspiel von Fortuna Düsseldorf geschlossen hinter Arminia. Über 25000 aus allen Himmelsrichtungen angereiste Fans füllten die Hindenburgkampfbahn bis auf den allerletzten Platz, träumten vom Halbfinale und drückten den via "Spezialtraining" vorbereiteten Townley-Schützlingen die Daumen. Doch die Blauen hatten Pech. Ihr Halbrechter Amelung fiel kurzfristig aus, nach zwei Minuten leistete sich Simoni-Vertreter Meyer einen kapitalen Schnitzer, der zum 0:1 führte, und zwei Minuten vor dem Halbzeitpfiff sorgte "Schorsch" Hochgesang mit dem 0:2 bereits für die Vorentscheidung. Am Ende stand es 0:3 und Arminia sollte nie wieder in die Endrunde um die "Deutsche" einziehen. Dafür verantwortlich war nicht zuletzt der politische Machtwechsel, mit dem in Hannover ein neuerlicher Führungswechsel einherging. Wenngleich der SVA ebensowenig wie 96 erwähnenswerte Berührungsängste gegenüber den Nazis zeigte, war 96 den entscheidenden Kick voraus. Die personellen Verbindungen zur neuen Führung waren größer, und so trennten sich die Wege der beiden Rivalen allmählich. 1934 und 1937 feierte man am Bischofsholer Damm zwar noch jeweils die Gauligavizemeisterschaft und freute sich über seine Olympiakandidaten Willi Fricke und Werner Schulz, musste jedoch 1938 mit ansehen, wie 96 mit dem sensationellen Gewinn der Deutschen Meisterschaft die lokalen Befindlichkeiten neu justierte. Plötzlich war Arminia nur noch Nummer zwei und rutschte in der Folgezeit mit seiner durch Nachwuchskräfte wie Robert Pluta, Peter "Pit" Gunkel und Horst Friedrichsmeier nur unzureichend verstärkten Elf sogar ins Gauliga-Mittelmaß ab. Nach Kriegsende kamen die Blauen rasch auf die Beine - nicht zuletzt dank einer "Berlin-Connection". Mit dem viel zu früh einem Magenleiden erlegenen langjährigen Torhüter Werner Grabitz, dem aus der berühmten Ernst-Fuhry-Schule stammenden Außenläufer Clemens Heyduck sowie Mittelstürmer Fritz Apel, den alle nur "Bollo" nannten, kamen gleich drei Berliner an den Bischofsholer Damm, wo man 1947 prompt die Zulassungspapiere für die Oberliga Nord überreicht bekam. Im norddeutschen Oberhaus bahnte sich daraufhin prompt ein neuerlicher lokaler Machtwechsel an. Mit dem von Linden 07 abgeworbenen Banatdeutschen Jupp Posipal verstärkt, sicherten sich die Blauen 1947/48 souverän eine weitere Spielzeit auf der Bühne der Großen, derweil Lokalrivale 96 in den bitteren Abstiegsapfel beißen musste. Arminias Führungsspitze frohlockte nicht zu Unrecht über die damit verbundene Gelegenheit, erneut zur lokalen Nummer eins zu werden, wurde jedoch bitter enttäuscht: Platz zehn und ein Zuschauerrückgang um fast 1000 Zahlende pro Spiel sorgten schon 1948/49 für Ernüchterung, zumal 96 am grünen Tisch in die Oberliga zurückkehrte. Am 21. November 1949 standen sich Rot und Blau erstmals wieder im Ortsderby gegenüber (Arminia gewannn vor 13000 mit 3:0) und im Sommer 1950 waren auch die lokalen Verhältnisse wieder gerade gerückt: Aufsteiger 96 wurde Siebter, Arminia Zwölfter. Bei dieser Konstellation blieb es in der Folgezeit. Nur 1951/52 vermochten die Blauen dank der Treffsicherheit von Robert Bertram (24 Tore) 96 noch einmal zu überflügeln, doch schon da war es ein Erfolg des Mittelmaßes: Arminia wurde Neunter, 96 Elfter. Ausgerechnet als die Blauen 1953/54 (übrigens unter der Trainingsleitung von Paul Bornefeld, der 1933 noch auf Seiten der Düsseldorfer Fortuna gestanden hatte) endlich mal wieder an bessere Zeiten anknüpften und einen einstelligen Tabellenplatz belegten (Rang 6), holte 96 mit einem sensationellen 5:1-Sieg über den 1. FC Kaiserslautern zum zweiten Mal die Meisterschale nach Hannover. Unvergessen bleibt aus jener Saison freilich der 20. Februar 1954, als 10000 Fans am schneebedeckten Bischofsholer Damm die Kulisse für eine weitere norddeutsche Fußball-Legende bildeten und staunend zusahen, wie die Heimelf Abonnementsmeister Hamburger SV förmlich demontierte. Es war ein Tag, an dem für den SVA alles passte. Die Elf um Torjäger "Bollo" Apel und Wandervogel Justus Eccarius zeigte mit ihren "Sambaschuhen" deutlich besseres Stehvermögen auf der glitschigen Schneeoberfläche, spielte sich in einen regelrechten Rausch und gewann sage und schreibe mit 10:2! Die Freude war jedoch nicht von Dauer. Schon ein gutes Jahr später herrschte am Bischofsholer Damm, wo seit 1952 Conti-Direktor Gustav Eicke die Vereinsgeschäfte leitete, endgültig Tristesse. Nicht nur, dass sich der HSV bitterlich gerächt hatte (8:4 und 8:0) - man hatte Besuch vom Abstiegsgespenst bekommen! Ein 6:1 über den FC St. Pauli vertrieb den ungebetenen Gast zwar, doch er hinterließ eine unaangenehme Duftmarke. Am 5. Mai 1957 kam es zurück und vollendete sein Werk. Im direkten Duell gegen Mitkonkurrent VfL Wolfsburg führte die Arminia im letzten Heimspiel der Saison bereits mit 2:0 und machte sich schon mal Gedanken über die nächste Spielzeit, als den 11000 Zuschauern plötzlich "Fußball verkehrt" geboten wurde. Es ging gar nichts mehr bei den Blauen, die mit 2:5 verloren und sich ob des unerklärlichen Leistungseinbruchs wütende Proteste ("Das war Schiebung") gefallen lassen mussten. Im Amateurlager tat sich der SVA schwer. Die dörfliche Konkurrenz aus Steinfeld, Lebenstedt oder Steterburg trat gegen den ruhmreichen Traditionsklub doppelt motiviert auf, nach zwei gescheiterten Anläufen jeweils in der Aufstiegsrunde (1958 und 1959) verließen mit Werner Olk (zum FC Bayern), "Hoschi" Wilkening (Freiburger FC) und "Heini" Ahlbeck (VfB Oldenburg) gleich drei Leistungsträger den Verein, der die Lücke allerdings mit Talenten wie Lothar Ulsaß (aus Ricklingen) und "Amigo" Elfert (eigene Jugend) zu stopfen vermochte. 1960 übernahm Hobby-Schauspieler Fritz Schollmeyer die Trainingsleitung, scheiterte 1961 mit seiner Elf im Entscheidungsspiel gegen den Bremer SV (1:4 am Hamburger Millerntor) und machte die Rückkehr in die Oberliga schließlich 1962 mit fulminanten 12:0-Aufstiegspunkten perfekt. Doch der Jubel fiel gedämpft aus. Nicht nur, dass die für 1963 geplante 1. Bundeliga den baldigen Gang zurück in Liga 2 wahrscheinlich erscheinen ließ - die fünf Jahre im Amateurlager hatten Nachbar 96 wirtschaftlich und in puncto Zuschauergunst einen immensen Vorsprung verschafft. Am Ende der Saison 1962/63 herrschte in beiden Lagern Trauerstimmung. Einträchtig im Mittelfeld waren Hannovers Fußballprotagonisten eingelaufen - wobei weder Platz 9 (96) noch Rang 10 (Arminia) fürs neue Oberhaus reichte. Selbst ein historischer Schnitt von 15137 Zahlenden pro Spiel - möglich durch den Umzug ins Niedersachsenstadion, wo 62000 am 11. November 1962 gegen den HSV für eine Rekordkulisse gesorgt hatten - konnte die Arminia-Führung nicht trösten. Den Blauen drohte aber noch mehr Unbill, denn die Stadt wollte den Bischofsholer Damm ausbauen und machte dem Klub das Stadion streitig. Als die Vereinsmitglieder gegen den Verkauf votierten, wurde "nur" die Hintertortribüne gekappt und der SVA spielt seitdem in einem Stadion mit nur drei Tribünenseiten. Sportlich wie wirtschaftlich sah es nach dem 96er Aufstieg düster aus. Horst Witzler, 1964 als mit 31 Jahren jüngster Regionalligatrainer verpflichtet, musste traurig mit ansehen, wie angesichts eines bedrohlichen Schuldenbergs von 200000 DM sein gefürchtetes Innentrio Elfert - Ulsaß - Perau auseinander gerissen wurde (Ulsaß ging zu Braunschweig, Perau nach Essen, Elfert zu Gladbach), weil Vorsitzender Paul Georg Berghoff, ein leicht cholerischer Großhandelskaufmann, der sein Amt 1964 angetreten hatte, achselzuckend befand: "Wir brauchen das Geld der Ablösesummen." 1966 schlug Berghoff eine gegenteilige Politik ein. Auf wundersame Art und Weise entschuldet ("Durch das Entgegenkommen der Finanzämter, der Verbände und der Hilfe von Gönnern") gab er die Parole "Entweder wir werden Meister - oder wir geben die Lizenz zurück" aus und stürzte den SVA in Turbulenzen. Es waren jene Tage, in denen die Arminen im schneeweißen Real-Dress (inklusive Schuhe!) aufliefen, es ein Heidenbrimborium um die regelmäßig ins Niedersachsenstadion verlegten Heimspiele gab und mit Legionären wie Agurew, Bedürftig und Broichhausen der Sprung in die erste Liga erzwungen werden sollte. Angeleitet von Trainer Hans Hipp rückte das Oberhaus tatsächlich in greifbare Nähe - am 7. Mai 1967 feierten die Blauen nach 21:1-Punkten in Folge mit einem 0:0 gegen St. Pauli vor allerdings nur 9000 Fans im Niedersachsenstadion den Titelgewinn. In der Aufstiegsrunde haderte man jedoch mit Glücksgöttin Fortuna, die geradezu unverschämt Partei für Kontrahent Borussia Neunkirchen ergriff: Im Hinspiel am Ellenfeld (1:2) verletzten sich Forbrig und Adler, im Rückspiel führte der SVA bei unablässig strömenden Regen im Niedersachsenstadion bis acht Minuten vor Schluss mit 3:2 - und verlor noch 3:4. Es folgte die turbulenteste Saison der an Turbulenzen wahrlich nicht armen Vereinsgeschichte. Vorsitzender Berghoff wollte nun mit aller Macht in die Bundesliga, erntete jedoch nur Chaos. Trainer Hipp kündigte frühzeitig seinen Abgang an ("Ich lege Wert auf Lehrtätigkeit und sehe diese eingeschränkt"), nach dem 0:1 bei Aufsteiger Haste rutschte der selbst ernannte Titelaspirant am 24. September 1967 auf Rang zwölf ab ("Bild": "Arminias Trauermarsch in den Keller") und Gerüchte von einem "Maulwurf" im Team sorgten für interne Unruhe. Blume, Grupe , Adler, Kitzelmann, Langemann, van Meteren und Mittrowski wurden schließlich von Berghoff als Schuldige ausgemacht, verkündeten daraufhin ebenfalls ihren bevorstehenden Abgang - und bogen plötzlich völlig überraschend wieder auf die sportliche Erfolgsspur ein. Als am 12. Mai 1968 Adler mit zwei Treffern für einen 2:0-Sieg über den VfB Oldenburg sorgte, erklomm der SVA zum ersten Mal in der Saison die Tabellenspitze und durfte, weil es der letzte Spieltag war, die Titelverteidigung feiern. In der Aufstiegsrunde zeigte das Team jedoch wieder sein zweites Gesicht. Als gegen Neuendorf, TeBe Berlin und Offenbach kein einziger Treffer gelang (jeweils 0:1), spottete der "Fußball Sport" über den "Sturm der Hasenfüße" und führte den SVA in der Tabelle als Schlusslicht. Daran sollte sich bis zum letzten Spieltag nichts mehr ändern, womit die goldenen Jahre allmählich endeten. Im Oktober 1968 verstarb mit Dr. Berghoff der ebenso mächtige wie umstrittene "Macher", und weil sich das Nachfolgepräsidium um Geschäftsführer Karl-Heinz Bonger sowie Fritz Sibilsky als weniger mutig entpuppte ("finaziell können wir nicht"), mussten die Bundesligaambitionen alsbald zu den Akten gelegt werden. Fortan dominierte Bescheidenheit am Bischofsholer Damm. "Mit diesem Spielermaterial rangiert Arminia auf Jahre hinaus unter ferner liefen", spottete beispielsweise "Bild" schon vor der Saison 1970/71 und ließ kein gutes Haar am Vorstand: "Das ist nicht verwunderlich, wo doch Vorsitzender Fritz Sibilsky noch in dem Wahn lebt, es müsse für jeden Spieler eine Ehre sein, für Arminia kicken zu dürfen." Der SVA fand einfach keine Ruhe. 1971 übernahm Werner Wein die Vereinsführung, veräußerte Nachwuchstalent Klaus Wunder für 200000 DM an den MSV Duisburg und musste mit ansehen, wie im Norden Hannovers der Stern des ambitionierten OSV aufging. Arminias Lichtgestirn indes verblasste zusehends. 1971 kursierten erstmals Gerüchte von einer Lizenzrückgabe, und nachdem die Blauen 1974 die Qualifikation zur 2. Bundesliga-Nord (für deren Einführung sich die SVA-Führung jahrelang vehement eingesetzt hatte...) verpassten, rutschte man erstmals ab in Liga drei. Otto Höxtermann, ein Uralt-Arminia, der 1973 das taumelnde Vereinsschiff übernommen hatte, setzte nun alles auf eine Karte: Vom OSV kam Trainer Gerd Bohnsack und mit "Charly" Mrosko wurde eine schillernde Galionsfigur verpflichtet, unter der man zwar im Titelrennen mit dem VfB Oldenburg den Kürzeren zog, immerhin aber die Zweitligaaufstiegsrunde erreichte. Dort langte es indes nur zu einem Sieg (3:1 gegen Solingen). Im zweiten Anlauf (1975/76) klappte es besser. Nach Gewinn der Nordmeisterschaft machten die Blauen am 13. Juni 1976 mit einem 6:0 über Union 06 Berlin alles klar. Nächstes Ziel war die Rückeroberung der lokalen Führungsposition. Die Voraussetzungen standen gut: 96 befand sich in der sportlichen wie wirtschaftlichen Krise, derweil der Aufsteiger vom Bischofsholer Damm sein Publikum begeisterte. Immerhin 6000 Zuschauer begrüßte man 1976/77 pro Spiel, wobei der DFB einen noch höheren Schnitt verhinderte, weil er den etablierten 96ern entgegen aller üblichen Gepflogenheiten zuerst Heimrecht gegeben hatte. Waren bei dieser Gelegenheit 60000 Fans gekommen, so hatte der SVA bei "seinem" Heimspiel im April nur noch 28000 Zahlende begrüßt. Sportlich zog der Herausforderer übrigens den Kürzeren und verlor beide Derbys (1:2, 0:1). Anschließend ging alles schief. Arminia wollte zu schnell zu viel, beging mit dem Umzug ins Niedersachsenstadion einen folgenschweren Fehler und kämpfte ungeachtet des Mottos: "Es nutzt gar nichts, wenn wir eine gute Mannschaft aus dem Boden stampfen und alles andere im Verein hinkt hinterher. Für den Sprung in die höchste Spielklasse muss eine gesunde Basis geschaffen werden. Das muss unser Fernziel sein", mit einem zurückgehenden Besucherschnitt und roten Zahlen. 1979/80 kam das Aus. Chaos auf der Trainerbank (dreifacher Wechsel), Chaos auf der Vorstandsebene (dreifacher Wechsel), eine sportliche Bankrotterklärung nach der anderen ("FuWo" im Februar 1980 nach dem 2:0-Heimsieg über Preußen Münster vor exakt 739 Zahlenden im Niedersachsenstadion: "Das war Fußball zum Abgewöhnen") und neben dem Abstieg ein Schuldenberg von 1,1 Mio. DM ließen Arminias Zukunft düster erscheinen. Die achtziger Jahre waren geprägt von ständigen Scharmützeln auf der Vorstandsebene, sportlichen Turbulenzen (Höhepunkte: Aufstiegsrundenteilnahmen 1982 und 1987) und kontinuierlich sinkendem Zuschauerinteresse. 1987/88 rutschte man erstmals in die Abstiegszone, begrüßte durchschnittlich kaum noch 600 Fans - und versuchte den Niedergang ein Jahr später mit der Verpflichtung von Dieter Schatzschneider zu stoppen. Wenngleich der Transfer in letzter Sekunde scheiterte, feierte man noch ein sportliches Highlight, als nach dem FC Homburg (2:1) mit dem 1. FC Köln beinahe ein zweiter Bundesligist aus dem Pokal geworfen worden wäre (2:4). 1990/91, der Schuldenstand hatte inzwischen astronomische 1,5 Mio. DM erreicht, war der Abstieg in Liga vier nicht mehr zu verhindern, woraufhin unter Präsident Klaus-Michael Reuper die Sanierung eingeleitet wurde. Wie einst baute Arminia wieder auf den Nachwuchs, verhinderte 1995 mit einer fulminanten Rückrunde den drohenden Sturz in die 5. Liga und rappelte sich, begleitet von einer kleinen, treu gebliebenen Fanschar, allmählich wieder auf. Zwei Jahre später gelang unter Trainer Rainer Behrends (zu Zweitligazeiten Leistungsträger und später als Trainer in Ricklingen erfolgreich) via Relegation gegen den Heider SV sogar die Versetzung in die Regionalliga, wo sich die Blauen dank Akteuren wie Torjäger Markus "Ente" Erdmann, Skerdi Bejzade und Mirko Knörenschild sportlich souverän zu etablieren vermochten. Höhepunkt war der 4:3-Sieg im Lokalderby gegen 96, bei dem 9925 Zuschauer die Blauen bestaunt hatten. Nach der Regionalligareform musste die Elf vom Bischofsholer Damm zwar im Sommer 2000 wieder zurück in die Oberliga, konnte sich aber dort über ihre abgeschlossene wirtschaftliche Genesung und 2004 über den Sprung in die eingleisige Oberliga Nord freuen. Längst nimmt man wieder einen seiner Tradition und Bedeutung angemessenen Platz in der lokalen Fußballszene ein und strebt nach Worten von Reuper-Nachfolger Jürgen Scholz an "ein Sammelbecken für die besten Talente der Region" sein zu wollen.